Im Vordergrund sieht man hochgehalten die Broschüre "Georg I. von Frundsberg: Das verlorene Grab und die Auffindung der Gebeine 1993 bis 1997" inklusive Porträt von Frundsberg. Im Hintergrund ist eine Statue von ihm sichtbar.
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"Krimi der NS-Zeit": Die Broschüre erklärt, wie der damalige Stadtpfarrer die Gebeine von Georg von Frundsberg verschwinden ließ.

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Warum das verlorene Frundsberg-Grab ein "Krimi der NS-Zeit" ist

Als Anführer der kaiserlichen Infanterie feiert man Georg von Frundsberg in seiner Heimatstadt Mindelheim noch heute. Seine Gebeine wurden lange gesucht — auch wegen eines Stadtpfarrers in der NS-Zeit, der etwas vertuschen wollte.

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"Wir haben es im Grunde mit einem Krimi aus der NS-Zeit zu tun und der Angst vor dieser Zeit: Was passiert, wenn die Gebeine jetzt gefunden werden?" erzählt der Mindelheimer Kulturamtsleiter Christian Schedler. Er hat nun — rund 25 Jahre nach der Entdeckung der Gebeine von Georg von Frundsberg — einen Forschungsbericht verfasst. Dass es so lange gedauert habe, sei ihm fast schon peinlich, meint Schedler: Es seien immer andere Dinge dazwischengekommen. Nun steht das Frundsbergfest kurz vor der Tür, außerdem untersucht die Stadt derzeit die Mindelburg — deshalb hat sich Schedler endlich des alten "Krimis" angenommen.

Wer war Georg I. von Frundsberg?

Georg I. von Frundsberg war der wohl berühmteste Stadt- und Landesherr Mindelheims. Er wurde 1473 auf der Mindelburg geboren und starb dort 1528. Für Mindelheim, damals ein Kleinstaat, sei er prägend gewesen, so der zweite Bürgermeister Roland Ahne. Als kaiserlicher Heerführer wurde er im 19. Jahrhundert, lange nach seinem Tod, zu einer Identifikationsfigur für die "vaterländische Geschichte", meint Kulturamtsleiter und Kunsthistoriker Christian Schedler. 1855 wurde ihm zu Ehren das erste Frundsbergfest gefeiert. Bis heute findet es alle drei Jahre statt, auch vom 23. Juni bis 2. Juli 2023 wieder. Die Stadt rechnet mit über 100.000 Zuschauenden und 3.000 Mitwirkenden in historischen Gewändern. Frundsberg sei seitdem ein "gemeinschaftssinnstiftendes Element" für Mindelheim, so Schedler.

Lüge: Frundsbergs Gebeine bei Kellerbau 1941 entsorgt

Etwa zur gleichen Zeit stellten sich die Leute in Mindelheim die Frage: Wo liegt Gregor I. von Frundsberg begraben? Die Pfarrkirche St. Stephan, in der die Frundsbergsche Familiengruft lag, wurde im 18. Jahrhundert beinahe vollständig umgebaut. Dabei wurde die Gruft verschüttet und geriet in Vergessenheit. Trotz aufwendiger Suchen blieben die Gebeine von Georg von Frundsberg verschollen. Bis zu einer weiteren Umbaumaßnahme der Pfarrkirche: Um 1940 wollte der damalige Stadtpfarrer einen Heizungs- bzw. Luftschutzkeller unter die Kirche bauen. Beim Aushub stieß man auf die frühere Gruft — doch alle Gebeine wurden mit dem Bauschutt entfernt, lautete die offizielle Version. Eine Lüge, wie sich nach einer Reihe von Zufällen in den 1990er Jahren herausstelle.

Neue Erkenntnisse und Ungereimtheiten in den 1990ern

Damals stieß der noch recht neue Mesner der Pfarrkirche, Bernhard Lense, bei Aufräumarbeiten zufällig auf einen Kindersarg. Er kontaktierte Christian Schedler, der damals für die Mindelheimer Museen zuständig war, und dieser konnte die Sargmalerei in etwa der Zeit von Georg I. von Frundsberg — oder früher — zuordnen. Also durchsuchten Schedler und seine Freunde Peter Hartmann, Erwin Holzbaur und der Mesner die Gruft. Gleichzeitig durchforsteten sie alte Artikel und Dokumente, sprachen mit Zeitzeugen des Kellerbaus oder deren Nachfahren und stießen so auf Ungereimtheiten bei einer Grabnische in der schon bekannten, neueren Gruft.

Wie kamen die Gebeine in eine Mörtelwanne?

Also öffneten sie diese Sargnische, so Schedler: "Was wir gefunden haben, war seltsam. Alte gotische Sargbretter, die auf eine recht moderne Möbelkiste gelegt wurden und darin waren Gebeine." Diese konnten nach verschiedenen Untersuchungen tatsächlich mit großer Sicherheit Georg I. von Frundsberg zugeordnet werden. Wie also kamen sie in eine benutze Mörtelwanne? Die Recherchen von Schedler und seinem Team ergaben, dass der damalige Stadtpfarrer die Gruft absichtlich zerstören und die Gebeine verschwinden ließ.

Pfarrer zerstört Gruft aus Angst vor Nazi-Aufmerksamkeit

"Das ist deshalb passiert, weil man Angst hatte, dass die Nazis — für die Georg von Frundsberg eine wichtige nationale Figur war — Interesse an der Auffindung gehabt haben könnten", meint Schedler. Man hätte Angst gehabt, dass die Kirche profaniert und zu einer nationalen Weihestätte gemacht werde, wie es an anderen Orten geschehen sei. Deshalb habe der Stadtpfarrer den Kellerbau vorangetrieben und die Gruft zerstören lassen. Tatsächlich wurden alle Knochen entsorgt, außer die aus einem Grab: Die landeten in der Mörtelkiste und wurden in der anderen Gruft eingemauert. Nach außen verkündete der Pfarrer, dass alles zerstört und keine Gebeine mehr vor Ort seien.

"Gut, dass man das alles jetzt nachlesen kann"

1997 wurden die Gebeine von Georg I. von Frundsberg erneut beigesetzt. Die Suche in den Jahren davor und die Ergebnisse der Knochenuntersuchungen fasst Christian Schedler in der Broschüre "Georg I. von Frundsberg: Das verlorene Grab und die Auffindung der Gebeine 1993-1997" nun auf 36 Seiten zusammen. "Es ist gut und wichtig, dass man das alles jetzt in dieser Broschüre nachlesen kann", meint der Zweite Bürgermeister Roland Ahne. Auch für den Frundsberg-Darsteller beim großen Festzug, Wolfgang Streitel, war es "ein absoluter Gänsehautmoment", das alles zu erfahren. Das Büchlein gibt es für 5,90 Euro zum Beispiel beim Kulturamt in Mindelheim.

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Kulturamtsleiter Christian Schedler beschreibt in der Broschüre, wie sein Team die verlorengeglaubten Gebeine von Frundsberg doch noch fand.

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